Kontakt – Begegnung an der Grenze

In unserer Arbeit mit Menschen, die Gewalt erfahren oder ausüben, zeigt sich immer wieder: Echter Kontakt entsteht nicht im grenzenlosen Raum, sondern dort, wo ich mich selbst spüre – und zugleich offen bin für das Gegenüber. Grenzen sind dabei nicht trennend, sondern Voraussetzung: Sie machen deutlich, wo das Eigene endet und das Andere beginnt. Nur auf dieser Basis kann eine lebendige, respektvolle Begegnung stattfinden.

Kontakt ist mehr als blosse Berührung. Es ist ein bewusster, lebendiger Moment, in dem zwei Menschen sich begegnen – nicht nur äusserlich, sondern innerlich. Doch echter Kontakt braucht Voraussetzungen: Er geschieht nicht im grenzenlosen Raum, sondern genau dort, wo eine Grenze gezogen ist. Denn nur an einer Grenze kann etwas in Beziehung treten – das Eigene mit dem Anderen.

Im psychologischen und zwischenmenschlichen Sinn bedeutet Kontakt, sich selbst zu spüren und gleichzeitig offen zu sein für das Gegenüber. Ich weiss, wo ich stehe, was ich fühle, was ich will – und ich bin bereit, dich wahrzunehmen, ohne dich zu vereinnahmen oder mich aufzugeben. Dieser Balanceakt gelingt nur, wenn beide Seiten über ein Bewusstsein für ihre eigenen Grenzen verfügen.

«Kontakt findet an der Grenze statt.»
Dieser Satz wirkt zunächst paradox – doch er beschreibt eine tiefe Wahrheit. Die Grenze ist kein trennender Wall, sondern ein Übergangsraum. Sie ist nicht starr, sondern durchlässig. Sie schützt das Eigene und lädt zugleich das Fremde ein. In der Berührung an der Grenze entsteht Resonanz – und damit Entwicklung.

Ohne Grenzen verwischt der Kontakt. Er wird zu Verschmelzung oder Übergriff. Dann weiss ich nicht mehr, ob das, was ich fühle, wirklich meins ist – oder ob ich etwas übernommen habe. Der Kontakt wird unklar, ungesund, manchmal sogar destruktiv. In einem gesunden Kontakt hingegen entsteht etwas Drittes: ein Zwischenraum, in dem Neues wachsen kann – Verbindung, Verständnis, Beziehung.

Kontakt braucht Mut.
Es erfordert den Mut, sich zu zeigen, und auch den Mut, sich abzugrenzen. Den Mut, den anderen wirklich zu sehen, und sich zugleich nicht zu verlieren. Kontakt ist kein Zustand, sondern ein Prozess – ein ständiges Pendeln zwischen Nähe und Distanz, zwischen Wahrnehmen und Reagieren.

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