Wozu braucht der Mensch Grenzen?

Darüber sprechen wir in der Beratung mit gewaltbereiten, gewaltausübenden und betroffenen Klient:innen – und es lohnt sich, dieses Thema auch gesellschaftlich bewusster zu machen. Der folgende Beitrag zeigt, warum Grenzen nicht trennen, sondern Verbindung erst möglich machen. Der folgende Beitrag zeigt, warum Grenzen nicht trennen, sondern Verbindung erst möglich machen.

Grenzen sind für den Menschen lebensnotwendig – nicht nur im physischen, sondern auch im psychischen und sozialen Sinne. Sie geben Struktur, Orientierung und Sicherheit. Grenzen definieren, wo das Eigene endet und das Andere beginnt. Erst durch diese Unterscheidung wird ein «Ich» überhaupt möglich.

Kontakt findet an der Grenze statt
Der Satz «Kontakt findet an der Grenze statt» bringt dies auf den Punkt. Denn nur dort, wo sich zwei eigenständige Individuen begegnen – ein Selbst und ein Gegenüber –, kann echter Kontakt entstehen. Wer keine klaren Grenzen hat, kann sich selbst nicht von anderen unterscheiden. Damit verschwimmt das eigene Erleben, und wirkliche Begegnung wird unmöglich. Der Austausch, der Dialog, das Miteinander – all das setzt voraus, dass beide Seiten wissen, wo sie stehen.

Grenzen ermöglichen es uns, uns selbst zu behaupten, «Nein» zu sagen, wenn etwas nicht zu uns passt, und «Ja» zu sagen, wenn wir etwas bewusst zulassen möchten. Gleichzeitig fordern sie uns heraus, uns mit anderen auseinanderzusetzen, Kompromisse einzugehen und Verantwortung zu übernehmen.

Was passiert, wenn man grenzenlos ist?
Ein Mensch ohne Grenzen verliert sich entweder in anderen – oder er überrollt sie. Grenzenlosigkeit kann bedeuten, sich ständig anzupassen, keine eigenen Bedürfnisse zu spüren oder zu äussern. Das führt oft zu innerer Leere, Erschöpfung oder sogar Abhängigkeit. Im Umgang mit anderen kann Grenzenlosigkeit auch bedeuten, die Grenzen anderer nicht zu achten – was zu Konflikten, Machtmissbrauch, Gewalt und Isolation führen kann.

Grenzenlosigkeit wirkt im ersten Moment vielleicht wie Freiheit – doch in Wahrheit ist sie Orientierungslosigkeit. Freiheit braucht einen Rahmen, innerhalb derer sie sinnvoll gelebt werden kann. Ein Fluss, der kein Bett hat, wird zur Flut. So verhält es sich auch mit dem Menschen ohne Grenzen.

Fazit
Grenzen sind nicht das Ende der Freiheit, sondern ihre Voraussetzung. Sie schützen, sie verbinden, sie ermöglichen Begegnung. Dort, wo ich aufhöre und du beginnst, findet echter Kontakt statt – nicht in der Verschmelzung, sondern im achtsamen Gegenüber. Nur wer seine Grenzen kennt, kann wirklich offen sein für andere. Grenzen machen fassbar.

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